DES MALLORQUINERS RÄTSELHAFTES WESEN
HIE DIE HAUSDAME, DA DIE KÖCHIN
Volker kommt angeheitert von seiner landsmännischen Stammtischrunde nach Hause. Seine gute Stimmung trübt sich schlagartig ein, als er seine Gattin und Felicitas, eine ihrer neuesten zehn besten Freundinnen, ins Gespräch vertieft vorfindet. Volker bezieht sich auf Felicitas gern mit der alemannischen Bedeutung ihres Namens als “die Glückliche”. Sie lässt nämlich keine Gelegenheit aus, davon zu schwärmen, welch überaus glückliches Leben sie führe, seit sie in vierter Ehe mit Hector liiert ist, einem mallorquinischen Großunternehmer. Doch heute Abend stellt sich heraus, dass die Glückliche nicht mehr ganz so glücklich ist. Denn Hector hat eine Maitresse.
Volker setzt sich notgedrungen zu seiner Gattin und der nicht mehr ganz so glücklichen Glücklichen und hört zu. Die beiden sind sich im Lauf ihres Gesprächs offenbar einig geworden, dass das besondere Problem mit Hector eigentlich ein allgemeines Problem mit männlichen Mallorquinern sei. Mallorquinische Männer seien halt ein Rätsel. Frage man sie, welches Kleid für das Gala Dinner besser passe, das schwarze oder das rote, so rieten sie zu einem schwarzrot gestreiften oder rotschwarz gepunkteten. Vor die Wahl gestellt, entweder einen Marokkaner oder einen Peruaner als Hausdiener einzustellen, priesen sie die Vorzüge arabisch sprechender Indios oder die Andenflöte spielender Berber. Und so rätselhaft verhielten sie sich eben auch angesichts der Entscheidung, ihre Ehe mit einer kultivierten, gutsituierten Alemannin fortzusetzen oder — nach einer kostspieligen Scheidung — eine neue mit einer wohlhabenden spanischen Witwe einzugehen.
Volker will jetzt unbedingt wissen, für wen Hector sich denn entschieden habe. Felicitas offenbart zögernd und mit indignierter Miene, Hector habe sich die junge, mallorquinische Hausdame eben jener wohlhabenden spanischen Witwe zur Gespielin genommen. Da Volker sich nun schon mal eingemischt hat, gibt er in bierseliger Laune zum Besten, was er von dem rätselhaften Wesen des mallorquinischen Mannes hält, nämlich nichts. Ebenso rätselhaft sei doch das Wesen der mallorquinischen Frau. Und er präsentiert unwiderlegbare Belege für diese These aus seinem reichen Erfahrungsschatz.
Eine mallorquinische Kellnerin, die vor der Alternative stehe, auf einem Terrassentisch die Bierpfütze wegzuwischen oder den Aschenbecher auszuleeren, werde stattdessen die Menükarte zurechtrücken. Eine Barkeeperin, die die Wahl habe, die Lebensgeschichte eines betrunkenen Mallorquiners oder die Anmache eines radebrechenden Alemannen zu ignorieren, höre lieber bei der Beschwerde über fehlendes Toilettenpapier weg, die ein schwarzer Straßenhändler an sie richte. Und die Wirtin einer Tapasbar, die ihren Gatten in flagranti mit der Köchin erwische und die sich entweder zur Scheidung oder zur Entlassung durchringen müsste, stelle vielmehr den Gatten in die Küche und bestelle die Köchin ins Bett.
Felicitas findet Volkers Gesprächsbeitrag etwas sonderlich und seine Gattin nimmt ihm die Bierflasche weg, die er sich aus dem Kühlschrank geholt hat. Sie befürchtet offenbar, dass die nächste Einladung zum vierteljährlichen Kultur-Event bei Cynthia, einer weiteren ihrer neuesten zehn besten Freundinnen, in ernste Gefahr gerät.