EINMAL HAPPY END , BITTE!

heinz.rogel
6 min readSep 4, 2016

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Unter Nackten, Spannern und Masseusen

Mein Freund Volker geht neuerdings gern zu einem bestimmten Chino in Cala Ratjada essen. Ohne seine Gattin. Ja sogar heimlich, verrät er uns in der landsmännischen Stammtischrunde. Mit gedämpfter Stimme. Wir werden neugierig. Na ja, man reize dort nicht nur seinen Gaumen, sondern auch andere Körperteile, raunt Volker. Wir werden noch neugieriger und seine Stimme wird noch gedämpfter. Na ja, es gebe da halt diese zwei tollen, jungen Chino-Kellnerinnen. Die hätten so eine Art, sich beim Servieren, äh, na ja, so anzuschmiegen. So mal eben kurz. Am Oberarm oder an der Hüfte. Beinahe mit so was wie, also, na ja, doch… mit Zärtlichkeit.

Wir überschütten Volker mit mehr oder weniger stubenreinen Frotzeleien. Ob er denn auch an den Ellbogen erogene Zonen habe. Und ob er nach dem Essen nicht einen Extrasatz Servietten brauche. Und in welche Körperteile der Kellnerinnen er das Trinkgeld stecke.

Paul, unser Jungspund, nimmt das Thema auf. Ja ja, die Chinesinnen. Es gebe ja da drüben in der Nähe der Agulla, wie wir alle wüssten, den Felsstrand mit den Nudisten. Da habe er sich mal runtergetraut. Ohne Badehose. Und da seien doch nach einer Weile tatsächlich aus so einer Nische hinter den Felsen zwei hübsche kleine Chinesinnen aufgetaucht. Und hätten ihm eine Massage angeboten, Nacken und Rücken zehn Euro, ganzer Körper zwanzig, mit “Happy End” dreißig. Und fünfzig für alle weiteren Dienste. Er hätte sich ja gern drauf eingelassen, sagt Paul grinsend, aber man greife mal einem nackten Mann in die Tasche. Herzliches Gelächter in der Stammtischrunde.

Nach der spätabendlichen Auflösung des Stammtischs sehen wir Paul und Volker in angeregtem Gespräch die Bar verlassen.

Wohin zieht es Volker also am nächsten Nachmittag? — Natürlich zu dem Felsstrand mit den Nudisten. Und was hat er an? — Natürlich nichts. Ach doch! Seine Badehose. Wo hätte er sonst die fünfzig Euro hintun sollen, die er mitgenommen hat. Für alle Fälle. Falls er da unten mal Geld brauchen sollte. Für irgendeine Erfrischung. Oder so.

Er setzt sich, vom Ufer ein bisschen entfernt, auf eine kleine Felskuppe. In dezenten Abständen über den Strand verteilt liegen oder sitzen sie, die Nackten. Auf einer erhöhten Stelle ganz in der Nähe spreizt sich ein muskulöser Adonis und hält sein prachtvolles Gemächt ungeniert in die Sonne. Ein bisschen abseits in einer schattigen Senke hält sich eine anmutige, rosige Venus verborgen, die ihr Schamdreieck verschämt mit überkreuzten Schenkeln abdeckt. Und auf einem Felsvorsprung direkt am Ufer hat sich ein faltiges Philemon-und-Baucis-Pärchen entfaltet, er ein einziger weiß-silbriger Dschungel, sie mit runzligen, hängenden Gärten und einem verblühten Kräuterbeet.

Volker hält angestrengt Ausschau nach irgendeiner Nische hinter irgendwelchen Felsen.

Da dröhnt ihm eine Bassstimme ins rechte Ohr. Er zuckt erschreckt zusammen und fährt herum. In unverkennbar rheinischem Singsang fragt ein wuchtiger, wampiger, wuscheliger Mensch, ob Volker ein Fernglas brauche oder ob er die Einzelheiten auch so auf den Schirm kriege. Volker stammelt etwas von einem Bekannten, nach dem er sich hier umschaue. Der Rheinländer knurrt etwas von schmierigen Spannern und klettert auf die Felsenbühne runter, um sich unter den nackten Akteuren seine Rolle auszusuchen.

Volker steht nun vor der Entscheidung, sich entweder beschämt davonzuschleichen oder als nackter Wolf unter nackten Wölfen mitzuheulen. Oder soll er einfach die ihm zugedachte Rolle als Voyeur weiterspielen? — Nein. Er entledigt sich der Badehose und bietet seine Blöße tapfer den gierigen Blicken der Meute dar.

Und die Meute? Die interessiert sich kein bisschen für Volkers Blöße. Na gut, er sitzt hier oben ja auch nicht gerade auf dem Präsentierteller. Nur die Neuankömmlinge, die vom Wanderweg aus an ihm vorbei nach unten klettern, kommen in den Genuss, sein Geschlechtsteil betrachten zu dürfen.

Nach dem dritten Neuankömmling fühlt sich Volker aber doch irgendwie unbehaglich. Denn nicht nur die Ankommenden, sondern auch die schon Angekommenen interessieren sich auf einmal brennend für seine Genitalien. Davon ist er fest überzeugt. Starrt der zottelige Silberrücken am Ufer nicht schon minutenlang zu ihm hoch? Und was für einen Grund zu feixen haben die zwei eben angekommenen jungen Schönlinge da drüben? Amüsieren die sich etwa über sein momentan ein bisschen zusammengeschrumpftes Glied? So eine Unverschämtheit!

Wie soll er darauf reagieren? Soll er es der rosigen Venus nachtun und den beiden verrohten Bengeln und dem Rest der ganzen verkommenen Nudistenbagage den Einblick in sein Intimleben kreuzweise verwehren? Oder soll er dem Beispiel von Adonis folgen und den auf ihn gerichteten Blicken sein Banner trotzig entgegenhalten? Er wägt das eine gegen das andere ab, kann sich aber vorerst nicht entscheiden und schließt die Augen, um darüber nachzudenken. Als er sie wieder öffnet, erschrickt er.

Zu seiner Rechten sieht er die rosige Venus stehen. Mit einem stummen, maliziösen Lächeln lässt sie angewiderte Blicke auf seine Männlichkeit fallen. Und zur Linken steht breitbeinig der muskulöse Adonis und lässt höhnisch grinsend sein voluminöses Gehänge baumeln. Auch das haarige und verblühte Pärchen vom Ufer ist zu Volker hochgeklettert. Die beiden haben sich den Platz direkt vor seinen Füßen gesichert, studieren mit zusammengekniffenen Augen sein Fortpflanzungsorgan und stoßen sich immer wieder glucksend und kichernd mit den Ellbogen an.

Erst jetzt bemerkt Volker die übrigen Nackten, die sich hinter den vier Gaffern angesammelt haben und nun von allen Seiten herandrängen, männliche und weibliche Nackte, junge und alte Nackte, nackte Dünne und nackte Dicke, die Nackten und die Toten, die Guten, die Bösen und die Hässlichen, die Banditen vom Rio Grande, zu Fuß und zu Pferd, zu Land, zu Wasser und in der Luft, aus Taxis und Reisebussen tanzend, singend und grölend, Stammtischrunden und Kegelklubs stolpern lachend und johlend aus einem Kreuzfahrtschiff, aus Helikoptern seilen sich Teller tragende Chinesinnen ab, schlängeln sich heran und schmiegen sich an Volkers Unterleib, machen sich knetend und walkend an ihm zu schaffen und…

Jemand sagt etwas zu Volker, was er nicht gleich versteht. Schlaftrunken blinzelt er in die Sonne. Ein rundliches Gesicht mit schräg stehenden Mandelaugen hängt über ihm.

“Massaasch, Seño?”

“Was? Was is’?”

“Massaasch, mein Hä. Senn Ee-uulos. Nuu senn Ee-uulos, mein Hä.”

Volker stützt sich auf die Ellbogen und sieht sich um. Die nackten Schaulustigen sind verschwunden. Adonis räkelt sich wie zuvor in der Sonne, Venus pinselt ihre Fußnägel, der Silberrücken und sein Weibchen tummeln sich im Wasser.

“Vielleisch Happy Enn, mein Hä?”

Halb neben, halb über ihm kniet eine ältliche, dickliche Chinesin in Bermudas und T-Shirt, eine Schirmmütze tief in die Stirn gezogen. Sie hält ihm eine ölig glänzende Plastikflasche vors Gesicht.

“Happy Enn vielleisch? Dleißisch Ee-uulos, mein Hä”, singsangt sie lächelnd.

Eine Zahnlücke klafft zwischen ihren XXL-Zahnreihen, ihr Atem zeugt von einer kurz zuvor konsumierten Fischmahlzeit, aus ihrem schweißfleckigen T-Shirt und ihrer ölfleckigen Kniehose dringt ein Duftgemisch aus Miesmuscheln, Chinakohl, Deodorant, Essig, Sojaöl, Sonnenöl, Motoröl, Rohöl, Ölfarben, Farbentferner, Pfeffer und Salz, Butter und Schmalz, Hopfen und Malz, Teer und Federn, Schwefelsäure und Frühlingsröllchen im Sonderangebot.

Volker macht sich ohne Happy End auf den Heimweg. Auch ansonsten ist er nur mäßig happy. Denn er hat einen heftigen Sonnenbrand, der sich über seine vorderen Körperpartien erstreckt. Einschließlich einer besonders empfindlichen Stelle.

Was wird er nur seiner Gattin erzählen?

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Gibt es unter den vielen, vielen Lesern, die sich seit beinahe drei Jahren an dieser Satire ergötzt haben und die sich in kommenden Jahren noch daran ergötzen werden, vielleicht jemanden aus der Verlagsbranche? Jemanden, der mein immenses Talent als Satiriker erkennt und meine Mallorca-Geschichten und/oder die anderen Belege meiner seit Ephraim Kishon unerreichten literarischen Begabung in ein verlegerisches Jahrhundert-Ereignis umsetzen will? Hier ist meine E-Mail-Adresse:

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