KOPFBALLSPIEL
BLEIBE IM LANDE
Schon der Hinterkopf des Mannes an der Bar kommt Volker bekannt vor. Erst recht sein Profil, als er neben ihm sitzt. Und natürlich die Stimme, mit der er Volkers Gruß erwidert, rauchverknarzt und heisergebrüllt. Was Super Mario denn in Cala Ratjada mache, fragt Volker erstaunt, es sei doch erst Ende Januar, die Saison habe längst noch nicht angefangen. Na ja, antwortet der Fußballheld, er sei halt wegen dem Scheißladen da angereist, zum Abwickeln halt. Und er leert sein Bierglas mit einem Kopfschwung, als gälte es, einen Ball in den rechten oberen Deckenwinkel der Tapasbar zu befördern. Volker bestellt zwei große Gläser Bier und fragt nach, was für ein Laden denn abzuwickeln sei. Na, ob Volker denn nix von seiner MB-30-Lounge wisse, wo er letztes Jahr aufgemacht habe. Volker schüttelt den Kopf. Siehste, deswegen, knarzt Super Mario, greift nach seinem leeren Bierglas, holt zum nächsten Kopfball aus, schluckt Luft und beginnt heiser zu greinen. Den ganzen Scheißsommer lang habe er sich in den Scheißladen gesetzt und habe sich mit Scheiß-Hierbas zuschütten lassen, mit Hierbas, wo ein Zeug sei, das würden nicht mal die Fußballweiber anrühren, noch heut, wenn er dran denken tät, müsst er kotzen, und überhaupt die Spanier, wo noch nicht mal ein anständiges Bier brauen könnten — er langt nach dem Estrella, das Joan, der Wirt, vor ihn hingestellt hat, und leert es zur Hälfte — wie gesagt, die Spanier und ihr labbriges Bier, und vom Kneipengeschäft hätten die so viel Ahnung wie — er sucht nach Worten, findet aber nur sein Bierglas und leert es mit Kopfschwung vollständig — wie gesagt, die Spanier, kein Plan, er selber habe ja bloß eine Malerlehre gemacht, aber vom Kneipengeschäft, da habe er genauso viel Ahnung wie vom Fußball, bei seinem Pappa habe er gelernt, wer feiern könne, der könne auch arbeiten, weil jede Seite habe halt zwei Medaillen, und jetzt wollten ihm die spanischen Halsabschneider da an den Kragen, um Hunderttausende Schulden solle es gehen — er greift nach Volkers Bier und köpft es im Ganzen in den Deckenwinkel — so ein Scheiß sei das mit den Schulden, der Scheißladen sei rappelvoll gewesen, rappelvoll ohne Ende, jedenfalls wenn er, Super Mario, dagewesen sei.
Später stehen sie mit Joan vor der Tapasbar und der ehemalige Fußballer zündet sich die fünfte Zigarette an. Wie Joan denn so über die Runden komme mit seinem Laden, erkundigt sich Super Mario. Es gehe so, ist Joans Antwort. Und wie er das denn mache, fragt Super Mario. Er habe da seine Prinzipien, antwortet Joan. Super Mario will wissen, was das für Prinzipien seien. Joan, dessen Eltern aus Alemannia kommen, der aber auf Mallorca aufgewachsen ist, sieht Super Mario grinsend an. Es seien eigentlich bloß drei alemannische Volksweisheiten. Die will Super Mario hören. Joan sagt, die erste sei: Bleibe im Lande und nähre dich redlich. Super Mario zieht schweigend an seiner Zigarette. Joan fährt fort. Die zweite sei: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Super Mario zieht die Augenbrauen hoch. Die dritte würde er ihm lieber nicht verraten, sagt Joan, doch Super Mario besteht darauf. Es sei eigentlich ein schönes Sprichwort, sagt Joan nach einigem Zögern. Weil es nicht nur wahr sei, sondern sich auch noch reime. Aber Super Mario dürfe es nicht etwa auf sich beziehen: Ein leerer Topf am meisten klappert, ein leerer Kopf am meisten plappert.