MASKEN- UND BIERSORTEN
VON VLIESFASERN UND ANDEREN MISSVERSTÄNDNISSEN
Volkers Gattin hat Cynthia, eine ihrer zehn besten Freundinnen, zum Tee eingeladen und Cynthia hat gnädigerweise zugesagt. Das hat Volker dem Memozettel an der Pinnwand entnommen. Ob der spanische Gesundheitsminister denn so was schon erlaubt habe, hat er wissen wollen. Seine Gattin hat ihn weder einer Antwort noch eines Blickes gewürdigt, sondern nur schweigend den Kopf geschüttelt. Nach dem letzten Krach mit anschließendem Ringkampf auf der Terrasse befinden die Eheleute sich nunmehr im ersten Stadium der Versöhnung. In diesem Stadium stellt Volker Fragen und seine Gattin reagiert in der Regel gar nicht oder sendet nur sphinxhafte mimische Signale aus, die Volker zu weiteren Fragen veranlassen.
Cynthia tritt mit Atemschutzmaske auf. Sie bleibt an der Tür stehen und fragt erstaunt, ob man denn hier nicht über Mund-Nasen-Bedeckungen verfüge. Volkers Gattin geht zur Mikrowelle und holt ihre Maske heraus, die sie dort durch Erhitzung sterilisiert hat. Volker muss nachdenken, wo seine Maske abgeblieben ist. Schließlich zieht er sie unter einem Stoß alter Zeitungen hervor. Er grinst verlegen und stottert, so eine Maske sei doch sowieso nur das Signal an andere, dass man die Coronakrise ernst nehme, mehr nicht. Und weil Cynthia dies mit ebenso gewichtigem Schweigen wie seine Gattin quittiert, fügt er hinzu, das habe er irgendwo gelesen.
Sie sitzen so weit voneinander entfernt, dass sie ihr Gespräch in nahezu spanischer Lautstärke führen müssen. Außerdem verrühren die Masken ihre Sätze zu einem Wörterbrei, der ständiges Nachfragen und Wiederholen erfordert und dennoch mit Missverständnissen endet. Als Cynthia die Qualität ihrer FPP-Maske aus Vliesfasern lobt, wundert sich Volker darüber, dass die FDP offenbar Pilsator braue.
Unter diesen Umständen schaffen sie es nicht, das Thema Masken hinter sich zu lassen. Zumal Cynthia sich auf diesem Gebiet auch als höchst beschlagen erweist. Vor allem hat sie es mit dem Wert beziehungsweise Unwert von Masken aus Textil. Was?, fragt Volker nach. Becks-Pils?
Volkers Gattin will unter Beweis stellen, dass auch sie etwas vom Thema versteht. Ob Cynthia unter ihrer FPP-Maske nicht mit der Zeit an Atembeschwerden leide, fragt sie. Und wenn ja, was sie dann von einem Gesichtsvisier halte. Oh ja, auf Licher Bier halte er große Stücke, versichert Volker.
Von Visier-Schutzmasken rate das bayerische Gesundheitsamt ab, entgegnet Cynthia. Visiere hielten zwar Speicheltröpfchen vom Gesicht fern, besonders von den Augen, böten aber seitlich und nach unten keinen ausreichenden Schutz vor Infektion. Oh, Dortmunder Union, das sei ein Bier der Extraklasse gewesen, schwärmt Volker, das würde heute aber von der Radeberger Gruppe gebraut und sei so gut wie ungenießbar.
Dann beginnt Volkers Gattin von den Community-Masken zu sprechen, die auf der Insel gefertigt werden. Aus dem mallorquinischen Ikat zum Beispiel. Oder aus Llengües-Stoff. Mit Öffnungen zum Einlegen von Filtern. Volker gibt kund, er halte nicht viel vom mallorquinischen Craft-Bier und noch weniger von den regionalen Spirituosen. Er wundert sich über die Beharrlichkeit, mit der die Damen ununterbrochen von Biersorten und anderen Alkoholika reden. Aber sie haben ihn auf den Geschmack gebracht und er nähert sich unauffällig dem Kühlschrank.