SINGE WEM GESANG GEGEBEN

heinz.rogel
3 min readDec 16, 2018

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CASTING FÜRS KLO

Volker und seine Gattin sitzen im Flieger Palma — Hamburg. Der Weihnachtsbesuch bei der Schwester von Volkers Gattin steht an. Um dem üblichen Bandscheibenvorfall und der üblichen Ballermann-Party zu entgehen, haben sie diesmal keinen Ryanair-Flug gebucht. Dem Bandscheibenvorfall sind sie bisher entgangen, aber der Ballermann-Party nicht. Es sind junge Leute aus Hamburg, die meisten noch im Schulalter. Volker fragt seine Gattin, ob denn schon Weihnachtsferien seien. Sie weiß es nicht. Sie weiß nur, dass mitten im Trubel ein Promi älteren Baujahrs sitzt. Sein Gesicht habe sie schon mal irgendwo gesehen, aber sie komme nicht auf den Namen.

Eine mollige Dame mittleren Alters kommt aus der Toilette, will sich durch den Gang schieben, entdeckt den Promi, produziert einen Freudenschrei, holt ihr Handy raus und macht Fotos. Die jungen Leute hören auf zu lärmen und beobachten den Promi. Jemand möge mal die dicke Mutti mit dem Handy entsorgen, hört man ihn maulen, die sei ja schlimmer wie Brunhilde, die Klofliege.

Das ist das Stichwort für die mollige Dame. Sie beginnt zu singen. Oder eigentlich eher zu jodeln. Der Promi schreit, sie möge aufhören, das höre sich ja an, als hätte sie eine Klobürste im Arsch. Die Sängerin beendet mit geschmeichelter Miene ihr Gejodel und gibt kund, sie habe sogar eine noch bessere Nummer drauf. Sie setzt an zu einem schwabbernden Bauchtanz und stößt mal gurgelnde, mal schluchzende Balzlaute aus. Mit hervortretenden Augäpfeln brüllt der Promi, man möge ihn von diesen Geräuschen erlösen, das klinge ja, als ob man jemandem den Arsch zugenäht hätte und die Scheiße käme oben raus. Vor Glück strahlend sagt die Gelobte ihre nächste Darbietung an.

Da naht eine junge, hübsche Flugbegleiterin. Ihrer beruflichen Pflicht nachkommend begleitet sie die mollige Dame flugs zu ihrem Platz. Dann kommt sie zurück und fragt, ob der Herr noch weitere Wünsche habe. Der schüttelt den Kopf und bedankt sich mit einem gnädigen Knurren. Sie könne dem Herrn einen Gratisdrink anbieten, sagt die Flugbegleiterin. Oder einen Gratissnack. Oder auch eine Gratisauswahl selbstkomponierter Schlager. Von letzteren könne sie an Ort und Stelle eine Kostprobe geben.

Und schon haucht sie mit dünnem Stimmchen ein Lied, in dem es um schmerzende Herzen und wühlende Gefühle und schäumende Träume geht. Bis auch auf ihr Ständchen das Fallbeil des Experten-Urteils niederfährt. Wo da der Gesang aufhöre und wo die Straftat anfange, heult der Promi auf und fährt fort, wenn er sich morgens einen Pickel ausdrücke, dann habe das mehr Power als so eine Stimme. Die Flugbegleiterin geht in die Knie und bricht in Tränen aus und eine Kollegin führt sie weg. Die Kollegin kommt zwar auch zurück, erfreut den Promi aber nicht mit ihrem musikalischen Talent, sondern verschwindet in der Pilotenkabine.

Nach zwei Minuten erscheint der Kopilot, rappt einen Song über das unzureichende Gehalt des alemannischen Flugpersonals und zieht sich nach einem lauen Kommentar des Promis zurück. Wieder zwei Minuten später taucht der Pilot auf, legt eine wilde Hiphop-Nummer hin und wird mit einem ebenso lauen Kommentar entlassen. Den Kids erklärt der Promi, das sei zwar bloß Rapper-Kacke und Hiphop-Scheiße gewesen. Er habe aber keinen Bock, in den Alpen an einer Felswand zu enden.

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